Rebecca
Palladium Theater, Stuttgart
ICH Maxim de Winter Mrs. Danvers Beatrice Mrs. van Hopper Jack Favell Frank Crawley Ben |
Valerie Link Jan Ammann Pia Douwes Kerstin Ibald Isabel Dörfler Hannes Staffler Jörg Neubauer Jakub Wocial |
Vollständige Besetzung
Es ist traurig. Wirklich traurig – wie leicht ich mich von der Werbung beeinflussen lasse. Genauer gesagt: Von Werbeaktionen. Denn das AIDA-Prinzip schlug gnadenlos zu:
Attention: Ich hatte gehört, dass das Rebecca-Ensemble bei "S-City leuchtet" auftreten sollte.
Interest: Schon eine Stunde vor Auftrittsbeginn stand ich vor dem Neuen Schloss in Stuttgart.
Desire: Danach war für mich klar: Ich wollte unbedingt das Musical in voller Länge sehen.
Action: Ich sicherte mir Tickets und stattete dem SI-Centrum einen Besuch ab.
Da waren wir also, im Stuttgarter Palladium Theater, das den verwesenden Geruch der Vampire abgestreift und sich in das englische Cornwall der 1920er Jahre verwandelt hatte. Es spielte fast die komplette Erstbesetzung – vermutlich weil es die erste Samstagabendshow von Jan Ammann bei Rebecca war. Er war neu in der Cast und hatte erst am Dienstag zuvor seine allererste Vorstellung als Maxim de Winter bestritten. Es war wirklich ein glücklicher Zufall, dass wir schon Karten hatten, als wir davon erfuhren. Und Jan Ammann war echt fantastisch. Zuerst gab er sich als zuvorkommenden, aber sehr steifen britischen Gentleman. Doch im Laufe der Vorstellung zeigte er sein ganzes schauspielerisches Können bei furchteinflösenden Wutausbrüchen und purer Verzweiflung. Dass ich ein Fan von seiner Stimme bin, muss ich wohl nicht mehr erwähnen …
Valerie Link – zuvor Cover "Ich" – hatte zeitgleich mit Jan Ammanns Premiere die Erstbesetzung übernommen. Und das völlig zu Recht. Sie zeigte gekonnt die Wandlung vom schüchternen Mädchen zur selbstbewussten Frau und bezauberte ebenfalls mit ihrer schönen Stimme. Sie hatte auch eine tolle Bühnenpräsenz, wodurch sie sogar neben der starken Pia Douwes bestehen konnte. Valerie Link sollte man unbedingt im Auge behalten – wir werden mit Sicherheit noch viel von ihr hören.
Beatrice wurde von Kerstin Ibald verkörpert, die schon rein optisch – von Aussehen und Größe her – gut Jan Ammanns Schwester hätte sein können. Ihre Stimme war zwar sehr opernhaft, gefiel mir aber trotzdem super, und vor allem ihr Schauspiel war echt klasse. Gemeinsam mit Gerd Achilles (Giles) gab sie ein witziges Paar ab, das für so manchen Lacher sorgte.
Dass Isabel Dörfler sehr viel komödiantisches Talent besitzt, weiß ich seit 42nd Street. Deshalb war die Rolle der Mrs. van Hopper wie für sie gemacht: Sie war schrill, aufdringlich und witzig. Einfach genial!
Jörg Neubauer war als Frank Crawley wie der Fels in der Brandung. Man nahm ihm wirklich ab, dass er die gute Seele von Manderley war, der man alle Probleme und Geheimnisse anvertrauen konnte.
Hannes Staffler gab den Jack Favell schmierig und hintertrieben, und er spielte wirklich toll, hätte aber gerne noch etwas mehr übertreiben können.
Jakub Wocial war der einzige Hauptdarsteller, der nicht Erstbesetzung war. Aber er spielte den Ben so liebenswert und sympathisch und er verlieh seinem Lied "Sie’s fort" so viel Gefühl, Hoffnung und Zuversicht, dass ich mich sehr gefreut habe, ihn zu sehen.
Und was gibt es über Rebecca an sich zu berichten? Vielleicht, dass ich noch nie ein Musical gesehen habe, bei dem die Darsteller so oft die Treppen rauf und runter liefen. Kaum war Maxim de Winter aus einer Szene verschwunden und die Treppe hinauf geeilt, kam er schon wieder für die nächste Szene herunter, die nach einem kurzem Umbau in einem anderen Zimmer spielte. Überhaupt zog sich das Treppen-Thema durch die ganze Vorstellung – nicht zuletzt durch die große Wendeltreppe, die am Ende von Mrs. Danvers in Brand gesteckt wurde. Zuerst war es toll, die echten Flammen auf den Stufen lodern zu sehen, aber als dann auch noch der Kronleuchter herabstürzte und Manderley mit großem Getöse explodierte, machte ich mir kurzzeitig ernsthafte Sorgen um das Palladium Theater …
Mrs. Danvers – Pia Douwes:
Ich kannte Pia Douwes bereits von zahlreichen CDs. Und von Fernsehauftritten. Und aus Zeitschriften. Überall nur Lob. Deshalb waren meine Erwartungen riesig. Um nicht zu sagen: Gigantisch. Und? Sie hat sie übertroffen. Bei weitem. Auch wenn sie in einer dunklen Ecke auf der Bühne stand oder dem Publikum den Rücken zugekehrt hatte, füllte sie mit ihrer Präsenz das ganze Theater aus. Jede Gestik, jede Mimik war voller Details und passte perfekt. Und wenn sie dann sang, war ihre Stimme reine Energie.Sie verkörperte die Haushälterin mit all ihren Facetten: Von streng und über den Tod hinaus loyal, über leidenschaftlich und hintertrieben, bis hin zu von einer Verzweiflung erfüllt, die im Wahnsinn gipfelte. Als sie von Rebeccas Krankheit erfuhr und fast an den Schmerzen zerbrach, war das Gänsehaut pur.
Fazit: Pia sehen und sterben. top Δ