19.08.2017

Tanz der Vampire

Palladium Theater, Stuttgart

Graf von Krolock
Sarah
Alfred
Professor Abronsius
Chagal
Magda
Herbert
Rebecca
Koukol

Mathias Edenborn
Maureen Mac Gillavry
Thijs Kobes
Victor Petersen
Kirill Zolygin
Sara Jane Checchi
Christian Funk
Yvonne Köstler
Paolo Bianca


Vollständige Besetzung


Das war schon fast wie ein Déjà-vu: Wieder einmal begaben wir uns ins "schwäbische Transsylvanien" um die Nacht zu fühlen, ein letztes Mal bevor sich die Vampire verabschiedeten. Kurz zuvor hatte es einen Castwechsel gegeben und so waren wir gespannt, wen wir dieses Mal bei der Reise auf den Flügeln der Nacht begleiten durften.

Das Licht im Saal ging aus und dann kam die obligatorische, aber witzige Durchsage, dass Vampire sehr empfindlich auf Tonaufnahmen und Handyklingeln reagieren. Bisher dachte ich immer, diese Durchsage kommt vom Band – aber halt! Die Stimme hatte einen Akzent! War das etwa Mathias Edenborn?

Dann setzte das Orchester ein und nahm uns mit zum Schloss des Grafen und in die verschneite Wildnis, wo Alfred (Thijs Kobes) auf der Suche nach dem Professor war. Er muss wohl sehr verzweifelt gewesen sein, denn ein hoher Ton gleich am Anfang, kam ziemlich schief daher. Da dachte ich: "Ui, ui, ui …"
Zum Glück konnte er mich später mehr überzeugen, sogar so sehr, dass er jetzt neben Fredrik Wickerts und Tibor Héger zu meinen drei Lieblings-Alfreds zählt. Sein Schauspiel war nicht aufgesetzt, sondern kam total natürlich rüber, und als er von Sarah gebissen wurde, verdrehte er die Augen, sodass ich dachte, jetzt ist er gleich wirklich weg. Total putzig war auch, als er beim Ball die Perücke mit den Puderlocken trug und ein breiter Streifen von seinem strubbeligen blonden Pony darunter hervorschaute. Witzigerweise hatte sein Spiegelbild keinen Pony!

Alfred harmonierte auch super mit Sarah, Maureen Mac Gillavry. Diese hatte eine schöne und vor allem noch sehr jung klingende Stimme und außerdem war sie eine tolle Schauspielerin. Sie zeigte ihre Begeisterung und Zuneigung zu Alfred, doch als dieser sie im Badezimmer des Schlosses aufspürte, stand ihr die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, dass es nur der Student war und nicht Graf von Krolock. Nachdem sie jedoch von dem Grafen gebissen worden war, tanzte sie mit ihm und war dabei wie im Nebel oder in Trance.

Graf von Krolock, Mathias Edenborn, schritt bei seinem ersten Auftritt direkt an meinem Platz am Längsgang vorbei. Dabei hielt er seine Hand zur Seite, sodass ich seine langen Nägel und die schön geschminkten Finger aus der Nähe sehen konnte. Er hatte eine außergewöhnliche und markante Stimme, doch leider war seine Darstellung im ersten Akt etwas hektisch. Das besserte sich im zweiten Akt, besonders bei der "Unstillbaren Gier", was vielleicht auch daran lag, dass er dabei (wie auch die anderen Grafen) seine Vampirzähne nicht trug. Außerdem war er unser jüngster Vampirgraf, da die anderen ihr erstes Opfer schon 1617 gebissen hatten, Mathias Edenborn jedoch erst 1730. Bei so vielen Zahlen kann man schon mal durcheinander kommen – zumindest ließ er sich davon nicht durcheinander bringen.

Professor Abronsius wurde wieder einmal von Victor Petersen gespielt. Also, ich weiß nicht, was mit ihm an diesem Abend los war. Wir hatten ihn davor schon zweimal gesehen, aber jetzt … Ich dachte, wenn mich die Vampire nicht zu Tode erschrecken, dann sterbe ich spätestens bei der Szene in der Gruft – vor Lachen! Er hing am Geländer und japste vor lauter Enttäuschung über Alfred nach Luft. Dabei übertrieb er so sehr, dass das Publikum schon fast unter den Sitzen lag und ich Tränen in den Augen hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass er seine letzten grandiosen Vorstellungen nochmal toppen könnte, aber er spielte und sang als gäbe es kein Morgen.

Vielleicht war es auch einfach nur ein Wettstreit mit Paolo Bianca, wer wohl die Zuschauer lauter zum Lachen bringen könnte. Koukol wusste ungewöhnlich viel zu erzählen, auch wenn man überhaupt nichts verstand. In der Gruft verfrachtete er Chagal und Magda in die Holzkiste, machte den Deckel zu und setzte sich darauf. Er kauerte sich zusammen und babbelte die ganze Zeit vor sich hin bis er erschrak, weil die beiden im Sarg anfingen zu singen. Er spielte super und anscheinend war er auch der Meinung, dass Koukol mehr sein musste, als nur die kleine Rolle des buckligen Dieners – was ihm durchaus gelang!

Die größte Überraschung des Abends war Yvonne Köstler als Rebecca. Während ihre Darstellung in den letzten beiden Shows sehr lieblich und zurückhaltend gewesen war, war sie jetzt auf einmal resolut und hatte viel mehr Kraft in der Stimme.

Eigentlich hätten wir gerne mal wieder Jerzy Jeszke als Chagal gesehen, doch diese Rolle wurde erneut von Kirill Zolygin verkörpert. Er war einfach zu jung und zu schlank – aber egal! Er hatte eine tolle Ausstrahlung und eine schöne Stimme. Da war es nicht so wichtig, dass er nicht dem typischen Bild des Chagals entsprach. Einmal ging ich mit ihm sogar im wahrsten Sinne des Wortes auf Tuchfühlung, als er Sarah zum Schloss folgte und mich dabei im Vorbeirennen mit seiner Jacke streifte. Ich dachte, hoffentlich kriegt er rechtzeitig die Kurve!

Magda (Sara Jane Checchi) hätte gerne noch präsenter sein können. Doch sie war neu im Cast und wie bei vielen anderen würde sie sich mit Sicherheit nach ein paar Wochen noch mehr steigern. Denn gesanglich gefiel sie mir richtig gut und auch sonst war es rundum eine tolle Leistung.

Christian Funk stellte den Herbert nicht übertrieben tüttelig dar, aber er war insgesamt sehr gut und konnte mich vollends überzeugen. Großartige Stimme, die sehr sanft war, als er Alfred umgarnte. Auch wenn er gerade mal nicht im Mittelpunkt stand, war er immer in Aktion, zog vielsagend eine Augenbraue hoch oder spielte mit seiner Mimik. Er hatte auch sehr volle Lippen, die bei der letzten Nummer schwarz geschminkt waren und richtig gruselig aussahen.

Die Stimmung an diesem Abend war super und besonders die Zuschauer in der vordersten Reihe schräg vor uns waren gut drauf und gaben viel Applaus. Beim großen Finale war das Publikum sogar nahe daran aufzustehen, was dann selbstverständlich beim Schlussapplaus geschah. Mein Eindruck war sogar, dass Professor Abronsius den größten Beifall bekam, was absolut verdient war.

Das Ende der Vampire in Stuttgart schien besiegelt, doch dieses Mal versuchte die Stage Entertainment gar nicht erst zu behaupten, dass die Vampire nie wieder nach Stuttgart kommen würden. Sie haben wohl begriffen, wer mal Blut geleckt hat, möchte mehr …
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