Tanz der Vampire Backstage-Führung
Palladium Theater, Stuttgart
Zuerst habe ich mich geärgert. Ich hatte die Karten erst am Donnerstag davor gekauft, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass die Tickets so begehrt sind. Dann wurde mir erklärt, dass die beiden Führungen um 10.30 Uhr und 11.30 Uhr bereits ausverkauft seien, aber um 9.30 Uhr wäre noch etwas frei. 9.30 Uhr am Sonntagmorgen nach dem Musicalbesuch am Samstag! Ächz …
Doch als wir an den Theatereingang kamen, gab es die große Überraschung: Außer uns beiden keine anderen Teilnehmer! Cool! Da war der Andrang doch nicht ganz so groß wie erwartet.
Wir wurden fröhlich von Marcel begrüßt, der uns durch das Theater führte, und von einer weiteren Mitarbeiterin begleitet, die das Schlusslicht der Gruppe bildete. Bei unserer enormen Gruppenstärke, war das keine schwere Aufgabe. Marcel meinte dann auch gleich, bei anderen Produktionen frage er immer, ob die Gäste das Musical schon zuvor gesehen hätten. Bei Tanz der Vampire lautete die Frage hingegen, wie oft man es schon gesehen hat. Na ja, mit den 129 Besuchen anderer Leute konnten wir dann doch nicht ganz mithalten …
Wir wurden mit Backstagepässen ausgestattet, die Führung ging los und schon waren wir mittendrin. Gleich zu unserer rechten standen die Bücherregale aus der Bibliothek des Grafen. Doch das waren ja gar keine richtigen Bücher! Alles nur Fassade. Später entdeckten wir die Lücke, aus der Alfred den "Ratgeber für Verliebte" zieht. Wenigstens ein echtes Buch.
Beim Blick nach oben sahen wir die gigantische Sargwand, die über der Bühne hin. Dabei konnten wir auch gleich klären, wie die Vampire während der Vorstellung in die Särge gelangten: Es gab keine Falltüren im Boden und die Darsteller mussten auch nicht so weit hochklettern. Stattdessen gingen sie hinter die Sargwand, wenn diese sich senkte, und liefen von unten in die Särge hinein, wenn sich die Wand neigte.
Weiter ging es, an der imposanten Wendeltreppe vorbei bis hin zu dem Wirtshaus, das sehr viel kleiner war als es auf der Bühne wirkte. Besonders die Tür in der Mitte war kaum höher als 1,70 m. Da muss sich so mancher große Darsteller richtig bücken. Daneben befand sich gleich das Bett aus der Alptraumszene. Da gab es wieder eine Überraschung: Das gigantische Himmelbett, an und auf dem die Vampire tanzten, war gerade einmal tief genug um im Sitzen die Füße auszustrecken! Marcel meinte, ein langes Bett würde auf der Bühne zu riesig wirken.
Wir betrachteten die beiden Sarkophage von Graf von Krolock und Herbert und öffneten die Holzkiste von Chagal und Martha. Letztere war ganz schön eng, wenn man zu zweit drin lag, und für die Darsteller gab es nur ein paar Luftlöcher im Boden und eine kleine Taschenlampe.
Die Badewanne im Schloss war ebenso winzig wie das Himmelbett, aber zumindest für die Sarah-Darstellerin Veronica Appeddu war das bei Weitem groß genug. Nach einem bewundernden Blick auf die Schaummaschine für die Wanne (immerhin echter Schaum!) entdeckten wir auch noch das rote Ballkleid, dass an einem Stuhl hing.
Wir durften sogar die Bühne betreten, auf der wir die in den Boden eingelassenen Schienen sahen, an denen die Kulissenteile entlang fuhren. Definitiv nichts für Pfennigabsätze, aber da muss man beim Tanzen trotzdem ganz schön aufpassen.
Vorbei an dem gefrorenen Abronsius aus der Anfangsszene, einer sehr echt wirkenden Puppe, durften wir einen Blick in die sogenannte Blackbox werfen. Bei den nur wenige Sekunden dauernden Kostümwechseln direkt hinter der Bühne musste es dunkel sein und das einzige Licht kam von den Stirnlampen der Mitarbeiter. Deshalb gab es die Blackbox, einen abgetrennten Raum, in dem sich die Darstellerinnen schminken und umziehen konnten. Wir bestaunten die detailverliebten Kostüme, Perücken und roten Stiefel, die sich an historischen Vorbildern orientierten, und durften auch das ein oder andere am Bügel halten. Boah, sind die schwer!
Wir erfuhren, dass sich nur das Ensemble selbst schminkt. Die Hauptdarsteller werden von den Maskenbildnern geschminkt, weil es am wichtigsten ist, dass bei ihnen das Make-Up perfekt ist. Graf von Krolock hat sogar einen persönlichen Assistenten, der ihm die Türen öffnet, damit die Farbe seiner angemalten Hände nicht verloren geht.
Wir durchquerten die Blackbox der Herren und sahen weitere Kostüme und Rüstungen bis wir dann auf verschlungenen Wegen in den hinteren Theaterbereich gelangten. Dort hing neben einem Kleiderständer an einem Haken von der Decke ein Vampirumhang. Nein, nicht irgendein Umhang – der Umhang von Jan Ammann höchstpersönlich! Sofort wurde mir der Bügel in die Hand gedrückt und da stand ich nun, hielt den langen schweren Umhang (Jan Amman ist beachtliche 1,94 m) in die Höhe und ließ meinen Blick über den edlen schwarzen Samt schweifen. Ich bekomme jetzt noch einen Muskelkater, wenn ich daran denke! In dem Kleiderständer gab es neben weiteren imposanten Kostümen noch Koukols riesige Silikonhände zu sehen und seine ebenfalls riesigen Füße, unter denen der Darsteller normale Schuhe trägt.
Der Weg führte vorbei an einigen Fotos, die Schritt für Schritt zeigten wie Graf von Krolock (Mark Seibert) und Professor Abronsius (Victor Petersen) geschminkt wurden. Neben Koukol zwei der aufwändigsten Masken der Show. Dann weiter zu einer Wand, an denen Fotos mit Szenen aus dem Musical hingen. Marcel erklärte etwas dazu und deutete schließlich auf ein Foto des Grafen: "Das ist Kevin Tarte." Beim Blick in unsere Gesichter wurde ihm aber schnell bewusst, dass wir das schon längst bemerkt hatten.
An einem anderen Ständer durften wir die Perücken anfassen, die entweder wie bei Sarah aus echtem Menschenhaar oder aber aus Büffel- oder Angorahaar bestanden. Wir schauten uns Silikonglatzen, den Bart von Abronsius und ein Vampirgebiss an und rochen an dem leichten Erdbeergeruch des Kunstbluts. Nebenbei erfuhren wir etwas über die kleinen quadratischen Blutsäckchen, auf die die Vampire bissen um dann die Hälse ihrer Opfer vollzusabbern. Hm … auf der Bühne ist das irgendwie romantischer …
Als letzte Station betraten wir den Theatersaal, den wir ja bereits gut kannten. Wir blickten in die Tiefen des Orchestergrabens, deren Musiker jeweils mehrere Instrumente beherrschen mussten, die sie während der Vorstellung wechselten. Wir sahen hinauf zu den Balkonen, erfuhren Details über die Bühnentechnik und den spektakulären und aufwändigen Ablauf einer Show. Und wir erfuhren, dass die Darsteller, die durch den Zuschauerraum abgingen, blind darauf vertrauen mussten, dass jemand für sie die Türen öffnete, die sie in der Dunkelheit nicht sehen konnten.
Nach einer Stunde waren wir um gefühlte hunderttausend Fragen leichter und um viele Infos und Erfahrungen reicher. Wir betraten das Foyer, vor dem eine große Menschenmenge auf Einlass wartete. An den beiden späteren Führungen nahmen jeweils 25 Personen teil. Wie gut, dass diese Uhrzeiten ausgebucht waren! top Δ