02.05.2009

Tarzan

Theater Neue Flora, Hamburg

Tarzan
Jane
Kala
Kerchak
Terk
Porter
Clayton
Junger Tarzan

Anton Zetterholm
Joana Fee Würz
Christina Lagao
Andreas Lichtenberger
Rommel Singson
Peter Stassen
Rudi Reschke
Joshua Sommer


Vollständige Besetzung


Von allen Himmelsrichtungen strömten wir zusammen, von nah und fern, alle vereint in dem Bestreben ein einziges Ziel zu erreichen. Eine lange Prozession von Gleichgesinnten zog über die Straße und brachte den Verkehr zum Erliegen. Und dann tauchte es auf. Hell erleuchtet und imposant wie ein Palast ragte das Mekka unserer Reise vor uns gen Himmel: Das Theater Neue Flora.

Einladend breitete sich die Treppe vor uns aus und ließ uns eintreten in ein Foyer, das eines Königs würdig gewesen wäre. Doch trotz der Faszination war da etwas, das die Stimmung trübte, ein kleiner Schönheitsfleck, den es so bald wie möglich zu beseitigen galt. Denn für den perfekten Abend musste auch die lang erhoffte Besetzung spielen. Getrieben von Neugier und hin und her gerissen zwischen Hoffen und Bangen eilte ich zu einem Bildschirm, der entweder die Erlösung brachte oder das unausweichliche Schicksal besiegelte.

Es ist schon seltsam, wie ein Monitor, der eigentlich jeden Musicalfan mit seinen ständig wechselnden Bildern zu unterhalten vermochte, plötzlich unerträglich werden konnte, wenn er nicht die richtige Information präsentierte. Eine unbeabsichtigte Folter, die die Nerven des Wartenden bis zum Zerreißen strapazierte. Und dann …
Anton Zetterholm! Als Tarzan! Juhu! Juhu!!! Juhuhhh!!!
Und wer spielt Terk? Bitte! Bitte! Bitte!

Werbung. Werbung? WERBUNG?!? Die Foltermethoden im Mittelalter können kaum grausamer gewesen sein. Aber dann hatte der Bildschirm endlich Erbarmen.
Terk wird gespielt von … Rommel Singson! Juhu! Juhu!!! Juhuhhh!!!
Es gibt Momente, in denen könnte man einfach die ganze Welt umarmen! Schon seltsam, wie ein paar weiße Buchstaben auf grünem Untergrund die Vorfreude bis ins Unermessliche steigern und gleichzeitig eine gewisse Art der Erleichterung bringen konnten. Es gab nun nichts mehr zu befürchten, dem unvergesslichen Abend stand nichts mehr im Wege.

Zum ersten Mal sollten unsere Plätze in der ersten Reihe sein – nur durch einen Orchestergraben von der Bühne getrennt, aber dafür ohne andere Besucher, die sich vor und auf unseren Füßen vorbei bis zu ihren Sitzen drängten. Eben viel Platz um die Füße auszustrecken. Als endlich die Pforten geöffnet wurden, pilgerten geschmückte Menschenmassen mit strahlenden Gesichtern und leuchtenden Augen ins Theater, saugten erste Eindrücke des Dschungels in sich hinein und ließen sich auf dem roten Plüsch nieder.

Da bemerkten wir auch schon unseren ersten Irrtum: Orchestergraben – Fehlanzeige! Stattdessen hatte man drei grüne Stufen errichtet, die vom Publikumsraum auf die Bühne – oder besser gesagt: von der Bühne in den Publikumsraum – führten. Vor uns schwankte auf einem Vorhang ein großes Segelschiff, bei dessen Anblick man ein wenig seekrank wurde, und auf Leinwänden an den Seiten waren Logbucheinträge des Kapitäns zu lesen. Zugegeben, die Kulisse war jetzt nicht gerade farbenblindheitstauglich, aber im Zweifelsfall war alles grün. Außer den Sitzen natürlich.

Mit einem Schlag ging das Musical los. Und das im wörtlichsten aller Sinne: Fast 2.000 Leute hüpften gleichzeitig in die Höhe und landeten mit einem ersten Adrenalinschub zurück im Plüsch. Und ehe wir es uns versahen, waren wir schon mittendrin in der Geschichte um das verwaiste Menschenkind, das von der Gorilladame Kala gerettet und zu ihrer Sippe gebracht wurde.

Da waren wirklich die Affen los! Spätestens an dieser Stelle wurde uns unser zweiter Irrtum bewusst: Viel Platz um die Füße auszustrecken – Fehlanzeige! Wir mussten die Füße einziehen, damit die Gorillas nicht darüber stolperten. Gleichzeitig bemerkten wir, dass wir mit diesem Musical ziemlich überfordert waren. Die Affen tanzten nicht nur auf der Treppe und auf der Bühne, sondern sie waren auch an Seilen über der Bühne und über dem Zuschauerraum unterwegs. Von allen Seiten kamen sie: Von links, von rechts, von vorne, von oben …

Da wusste man gar nicht, wo man zuerst hinsehen sollte. Während ich noch den Leoparden misstrauisch beobachtete, seilte sich schräg vor mir der Silberrücken Kerchak ab, worüber ich nicht nur beeindruckt, sondern auch etwas überrascht war. Ich hätte mindestens noch drei Paar Augen gebraucht!

Sehr süß war Christina Lagao, die die Kala genauso verkörperte, wie man sich eine afrikanische Mama vorstellt: Herzlich, einfühlsam und voller Wärme. Schön war auch ihr Zusammenspiel mit dem kleinen Tarzan Joshua Sommer, der mich wirklich überraschte. Noch so klein und schon ein Profi: Singen, tanzen, turnen – und den Handstandüberschlag rückwärts mit nur einer Hand muss ihm erst mal jemand nachmachen.

Andreas Lichtenberger überzeugte als Kerchak mit kräftiger Stimme und beachtlicher Statur. Er vereinte die Stärke und Standhaftigkeit eines Anführers mit der Milde eines Vaters und Partners.

Eine sehr lebhafte Darstellung der Jane lieferte Joana Fee Würz. Ihre Begeisterung für die Flora und Fauna des Dschungels war absolut glaubwürdig, und als sie der überdimensionalen Spinne begegnete kreischte sie hysterisch in den höchsten Tönen – ebenfalls sehr glaubwürdig.

Rudi Reschke hatte zwar nur eine Sprechrolle, aber sein Schauspiel war wirklich klasse. Sein Clayton war schmierig, opportunistisch und hinterhältig – genauso wie er sein sollte.

Am Ende der Vorstellung sah ich auf einmal, wie sich Terk an ein Seil hängte. Er wurde von ein paar Affen festgehalten, die das Seil wie ein Katapult spannten. Was hatten sie vor?
Nee, oder?
Doch!!!
Terk stürzte mit Karacho direkt auf mich zu, wurde erst kurz vor mir vom Seil gebremst und schwang sich wieder zurück. Mensch, bin ich erschrocken! Terk, der von den Gorillas wieder eingefangen wurde, fand das natürlich wahnsinnig lustig. Na ja, ich dann auch …

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge verließen wir das Theater Neue Flora. Eine lange Prozession von Gleichgesinnten zog über die Straße und brachte abermals den Verkehr zum Erliegen. In alle Himmelsrichtungen strömten wir auseinander, nach nah und fern, alle vereint in der Erinnerung an einen unvergesslichen Abend.



Besondere Betonung

Tarzan – Anton Zetterholm:

Schon bei der TV-Casting-Show "Ich Tarzan, Du Jane" war für mich klar: Anton Zetterholm war der Beste. Als ich dann Karten für das Musical hatte, war für mich klar: Wenn ich schon ans andere Ende von Deutschland fuhr, dann musste Anton Zetterholm spielen. Nachdem ich dann die Vorstellung gesehen hatte, war für mich klar: Anton Zetterholm ist der beste Tarzan.
Er verkörperte nicht nur den großen Helden, sondern zeigte vor allem auch den jungen Mann, der fernab der Zivilisation ausgewachsen war. Er begegnete den Fremden auf naive und neugierige Weise und als "Riesenaffe" machte er mit seinem Kumpel Terk den Dschungel unsicher. Er hatte eine schöne, gefühlvolle Stimme und sein Akzent verlieh der Rolle einen ganz besonderen Charme.

Fazit: Alter Schwede, ist der klasse!

Terk – Rommel Singson:

So ein Energiebündel habe ich noch nie erlebt. Er tanzte. Er schlug Räder. Er zog Grimassen. Er schwang sich an der Liane quer durch das ganze Theater. Manchmal kopfüber. Und sang dabei mit glasklarer Stimme. Gut, ich gebe zu, ich habe nicht absolut jedes Wort verstanden. Aber wen kümmert das schon? Denn sein Akzent war wirklich süß. Und wenn er das "R" rollte, war das noch viel süßer.
Es war offensichtlich, dass er jede Sekunde auf und über der Bühne genoss, und seine gute Laune und Spielfreude waren "hu pro" ansteckend. Seine Pointen hatten ein perfektes Timing und jedes Mal, wenn er die Bühne betrat, hatte ich schon ein Grinsen im Gesicht, weil ich wusste, dass gleich wieder die nächste lustige Bemerkung oder der nächste skurrile Gesichtsausdruck kommen würde.

Fazit: Seit Tarzan bin ich Rommel Singson-Fan – yeeeaaahhh!
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