03.12.2018

Weihnachten in Notre Dame – Das Benefizkonzert

Apollo Theater, Stuttgart

Moderator und Initiator
Weihnachtself
Special Guest
Pianist auf der Bühne
Der Chor

Maximilian Mann
Kevin Köhler
Kristina Love
Sebastian Neugebauer
ORSO – Orchestra & Choral Society Freiburg


Vollständige Besetzung



Okay zugegeben, es passiert nicht oft, dass ich mich schon am Freitag auf den Montag freue. Doch dieser Montag war etwas ganz Besonderes. Direkt nach dem ersten Advent fand im Apollo Theater ein Weihnachtskonzert statt, dessen Erlös an das Kinder- und Jugendhospiz in Stuttgart gehen sollte. Auf der Bühne stand ein großer geschmückter Weihnachtsbaum und sogar den Steinfiguren der ehrwürdigen Kathedrale Notre Dame hatte man Nikolausmützen aufgezogen.

Eine Stimme aus dem Hintergrund begrüßte das Publikum und stellte sich vor: "Ich bin Kevin, der Weihnachtself." Er erklärte, dass elektronische Geräte unerwünscht waren. "Machen Sie die Handys aus." Er fügte hinzu: "Alle … Aus … Jetzt." Film- und Tonaufnahmen waren ebenfalls verboten, ansonsten hätten alle Zuschauer erst noch die entsprechende EU-Verordnung zur Datennutzung unterschreiben müssen.

Dann endlich strömten die Darsteller und der Chor aus dem Glöckner von Notre Dame auf die Bühne und stimmten gemeinsam das erste Lied "Higher and higher" an. Begleitet wurden sie dabei von einem 17-köpfigen Orchester, wohl dem größten der aktuell in Deutschland laufenden Musicals.

Natürlich brauchte so ein Abend auch einen Moderator – und das war kein geringerer als "Hauptmann Phoebus de Martin". "Hier ist Ihr Moderator: Maximilian Mann!" Ein Mann in weißem Hemd und schwarzer Hose machte Flick Flacks über die Bühne und verschwand in einer dunklen Ecke. Dann kam Maximilian etwas außer Atem aus eben dieser Ecke, im gleichen Outfit, und zog sich sein Jackett über. Ihr könnt mir viel erzählen, aber der Moderator und der Flick Flack-Akrobat waren nie im Leben dieselbe Person!

Zunächst einmal bat Max eine blonde Frau aus der dritten Reihe aufzustehen. Er erfuhr ihren Namen, Nicole, und ernannte sie kurzerhand zur Publikumssprecherin. Sie sollte alle Beschwerden sammeln, aber nur die wichtigsten. Denn aufgrund einer Krankheitswelle im Ensemble, hatte man das Programm kurzfristig ändern müssen. Nach den dreimonatigen Proben war das restliche Ensemble total "begeistert" gewesen, als sie im Laufe des Tages von den Änderungen erfahren hatten. "Doch wir sind nicht nur die schönste Cast," erklärte Max, "sondern auch die talentierteste." Allerdings dauerte das Programm dadurch leider nur 25 Minuten. Er forderte jedoch das Publikum auf sich bei Nicole als Freiwillige zu melden, um auf der Bühne ein Gedicht oder ähnliches vorzutragen.

Dass die Darsteller durchaus sehr talentiert waren, zeigte sich bereits beim nächsten Lied "Grown up Christmas list", bei dem Yuri Yoshimura (Ensemble) sang und sich selbst am Flügel begleitete. Sina Pirouzi (Zweitbesetzung Esmeralda) hingegen hatte mit Pianist Sebastian Neugebauer innerhalb von ein paar Stunden ein neues Stück eingeübt um eine krankheitsbedingte Lücke zu schließen. Sie wünschte sich und ihm davor viel Glück, doch das hätte sie gar nicht gebraucht. Sie brachte nicht nur die Nummer einwandfrei herüber, sondern war auch die beste Sängerin des Abends.

Max stellte verwundert fest, dass er viele der Lieder selbst auch zum ersten Mal hörte. Dann erzählte er von der großen Einsatzbereitschaft seiner Kollegen. "Es kam jemand aus dem Ensemble zu mir und bot seine Hilfe an." Und er stellte vor: "Hier ist der Weihnachtself, Kevin Köhler." Dieser kam auf die Bühne geschlappt – im grünen Kostüm mit rotweißen Ringelsocken und spitzen Elfenohren. Er schaute schon ziemlich angepisst drein. "Niemand", sagte Max, "fordert mich heraus."

Auch Felix Martin (Erzdiakon Claude Frollo) bewies sein komödiantisches Talent. Bei dem denglischen Lied "Merry Christmas allerseits" tanzte er hin und her und wackelte mit den Beinen. Er hatte das Ensemble mit Nikolausmützen ausgestattet und trug selbst auch eine, die sogar leuchtete. Am Ende kam Max herein – mit einer übergroßen Mütze auf dem Kopf – und meinte: "An alle hast du die passenden Mützen verteilt …" – "Für deinen Dickschädel", erklärte Felix und lobte dann auch diesen Dickschädel, ohne den dieser Abend nicht zustande gekommen wäre.

Weihnachtself Kevin brachte missmutig Mikrofonständer herein. Dann sammelten sich fünf Sänger darum und trugen "Silent night" vor. Doch es war kein einfaches Cover des weltbekanntes Liedes "Stille Nacht", sondern sie sangen auf Deutsch und Englisch – und zwar a capella. Fantastisch, wie toll ihre Stimmen dabei zur Geltung kamen!

Die musikalische Reise ging weiter in den hohen Norden mit "Gabriellas sång". Der Ungarin aus Schweden, Mercedesz Csampai (Esmeralda), hatte man den schwedischen künstlerischen Leiter zur Seite gestellt. Bei letzterem dachte ich noch "Der hat auch eine schöne Stimme", aber mir wurde erst später bewusst, dass das Fredrik Wickerts war. Asche auf mein Haupt, aber mit der Glatze und ohne seine blonden Locken habe ich ihn nicht erkannt.

Die Krankheitswelle hatte leider auch nicht vor dem Palladium Theater Halt gemacht und so hatten die Anastasia-Darsteller und Special Guests Judith Caspari (Anja) und Milan van Waardenburg (Dimitri) absagen müssen. Dafür war Jonas Hein (Quasimodo) umso besser drauf. Er trug "Have yourself a merry little Christmas" vor und bewies wieder einmal, dass er zurecht die Erstbesetzung war. Eine Hammer-Stimme und so viel Gefühl!

Doch schon die nächste Nummer wurde rockiger: Tina Turner gab "Proud Mary" zum Besten. Moment mal, das war doch Romeo Salazar (St. Aphrodisius)! Im goldenen Glitzerfummel, der nur knapp über seinen Hintern reichte, und in Perücke und Stöckelschuhen trippelte er über die Bühne und schmetterte das Lied heraus. Zuerst nur unterstützt von zwei Backgroundsängerinnen und einem -sänger – wohlgemerkt, alle drei in High Heels – kam schließlich auch noch Kristina Love dazu. Diese war die Hauptdarstellerin in spe des neuen Tina Turner Musicals. Sie erzählte im anschließenden Interview, dass sie an ihrem Geburtstag von der echten Tina Turner in deren Haus in Zürich eingeladen und dann von dieser auch noch mit einem Geburtstagsständchen überrascht worden war.

Max erkundigte sich noch einmal, ob Beschwerden oder Meldungen für Gedichtvorträge seitens der Zuschauer eingegangen waren. Als "Publikumssprecherin" Nicole verneinte, kündigte er das Ende des ersten Teils an. Selbstverständlich gab das Publikum ein trauriges "Oooh …" von sich. Doch noch vor der Pause trugen Ensemble und Chor gemeinsam Elton Johns "The gods love Nubia" aus dem Musical Aida vor.

Kaum war die Pause vorbei, strömten auf einmal massenhaft Menschen auf die Bühne. Noch mehr und noch mehr. Das nahm gar kein Ende! Über 100 zusätzliche Mitglieder des ORSO-Chores, die bis dahin im ersten Rang gesessen hatten, sangen "Carol of the bells". Danach musste Weihnachtself Kevin erst mal die Bühne kehren …

In diesem Konzert zeigten die Darsteller alles, was sie sonst nicht zeigen konnten – als hätten sie nur auf diese Gelegenheit gewartet. Mike Sandomeno (Ensemble) sang und steppte gekonnt zu "Holly jolly Christmas", während Felix mit "Bridge over troubled water" beeindruckte. Und die drei Mädels Mercedesz, Yuri und Sina begeisterten mit ihrer flotten Tanz- und Gesangseinlage "Jing-a-ling". Nur einer konnte nicht zeigen, was in ihm steckte: Weihnachtself Kevin versuchte immer wieder sich in den Vordergrund zu drängen, doch er wurde nur von den anderen herum gescheucht und musste ihnen die Mikrofone hinterhertragen.

Der Abend wurde von 200 Leuten aus 28 Nationen ehrenamtlich gestaltet – angefangen vom Kartenkontrolleur bis hin zum Tontechniker. Doch dann folgte eine Sprache, die man nicht so oft hörte – genaugenommen überhaupt nicht. Jonas sang "Licht des Himmels", während Sina das Lied aus dem Glöckner von Notre Dame gleichzeitig in Gebärdensprache übersetzte. Ihre Bewegungen waren dabei so elegant zur Musik, dass es aussah als würde sie tanzen. Was für ein Gänsehautmoment!

Noch etwas internationaler war das Stück "Step too far", bei dem die Italienerin Fabiana Denicolo (Ensemble), die Japanerin Yuri und der Deutsche Max in ihrer Muttersprache sangen.

Dann rumpelte es plötzlich und die Bodenluke ging auf. Dichter Nebel quoll heraus und Weihnachtself Kevin Köhler (Zweitbesetzung Quasimodo/Clopin) stieg auf die Bühne – laut hustend, aber überglücklich. Endlich hatte er Max ausgetrickst! Er stimmte "Let it go" aus dem Disney-Animationsfilm "Frozen" an, machte Elfenwitze und erntete viel Gelächter. Doch dann holte er alles aus diesem Lied heraus, mit großen Gesten und voller Inbrunst. Ich war nicht nur höchst begeistert, sondern auch zutiefst beeindruckt. Und das Publikum würdigte jubelnd den besten Auftritt des Abends.

Max erklärte, dass er natürlich Kevin nicht verbieten konnte, ebenfalls zu singen. Dann leitete er über: "Weihnachten bedeutet für die meisten Liebe und Familie. Für mich bedeutet es am 24. zu meiner Familie zu fahren und gemeinsam den Weihnachtsbaum zu schmücken. Dann streiten sich alle, ein paar weinen auch …" Schließlich rief er Gavin Turnbull (Clopin Trouillefou) auf die Bühne um mit ihm "I’ll be home for Christmas" zu singen.

"Die Vorstellung neigt sich langsam dem Ende entgegen", sagte Max. Die Zuschauer reagierten erneut mit einem traurigen "Oooh …". Max wiederholte: "Also, die Vorstellung, die sich langsam dem Ende entgegen neigt …" – "Oooh …" – "Sie sind gut und das ohne zu proben. Ich könnte das stundenlang machen."

Die Show endete nach fast drei Stunden mit den beiden Nummern "Santa Claus is coming to town" und "It is well with my soul", die Ensemble und Chor zusammen sangen. Max wollte zum Schluss ausnahmsweise alle Beteiligten auf und hinter der Bühne vorstellen: "Wenn ich einen Namen vergesse, dann … wird man mir das verzeihen. Es sind so viele Namen. Sie müssen die ganze Zeit durchklatschen." Er schaute auf seine Namensliste und überlegte. "8 Minuten und 23 Sekunden. Fangen Sie langsam an, dann können Sie sich nach hinten raus noch mehr steigern." Erst hielten das alle für einen Witz, aber dann dauerten die Standing Ovations wirklich so lange!

Die Einnahmen aus den verkauften Eintrittskarten – stolze 45.500 Euro – wurden den anwesenden Mitarbeiterinnen und Botschafterinnen des Kinder- und Jugendhospizes als Spendenscheck überreicht. So ging ein fantastischer Abend zu Ende, in den alle Beteiligten viel Energie gesteckt hatten und der trotz Krankheitswelle das Publikum mitgerissen hatte.
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